Montag, 9. Juni 2014

Ihr Lieben!

Schon wieder sind 3 Monate voller Erlebnisse, neuer Erfahrungen und toller Abenteuer vergangen. Ich komme gar nicht dazu, diesen Rundbrief zu schreiben, weil ich so beschäftigt bin!
Damit ich nicht einfach wild drauf los sprudele und euch ein einziges Chaos erzähle, will ich es geordnet angehen. Seit meinem letzten Rundbrief im Februar ist viel passiert!

Erfreulicherweise kam mich Ende Februar mein Freund Max knapp einen Monat lang besuchen. Ich hatte also viel Urlaub und wir daher viel Zeit zum Reisen. Von Jerusalem und Bethlehem über dieNegev Wüste, das Tote Meer und Tel Aviv – alles haben wir abgeklappert. Da hier in Israel ja alles außer Bus fahren teuer ist, haben wir an den Unterbringungskosten gespart und zum 1. mal Couchsurfing ausprobiert! Es war ein echter Erfolg. Wir sind wirklich so netten Menschen begegnet! In Arad, in der Wüste waren wir z.B. bei einem alten amerikanischen Ehepaar untergebracht, die schon die ganzeWelt gesehen haben. Aufgrund eines Missverständnisses mussten wir allerdings schon früher ausziehen als gedacht, es musste also eine Notlösung her, damit wir nicht ohne Dach überm Kopf schlafen mussten. Zu Beginn des Jahres, als ich auf dem In-D-Negev Festival war, hatte ich ein paar Leute aus Arad kennen gelernt und bei denen habe ich jetzt spontan angefragt: Nach einer Stunde hatte sich jemand gefunden, der uns für die nächsten 3 Tage aufgenommen hat. Diese Spontanität, kombiniert mitGastfreundschaft erlebe ich hier wirklich ausgesprochen oft! So kam es, dass wir im Laufe dieser 3 Tage schon in Stress gerieten, weil wir jeweils 2 Abendessenseinladungen für den gleichen Abend hatten.
Wie ich schon mal eher erwähnt hatte, gibt es hier in Israel unglaublich viele deutsche Volontäre. Viele kennen sich untereinander. So war es auch keine Seltenheit, dass ich beim Reisen an den Touristenorten mehrere Male mit Namen angesprochen wurde, oder dass wir in Tel Aviv im Hostel mit anderen Bekannten gekocht haben.

Den zweiten Teil unserer gemeinsamen Zeit haben wir in Jordanien verbracht. Diese Woche war ein Abenteuer für sich! Von Nazareth aus haben wir einen Bus bis nach Amman, in die Hauptstadt Jordaniens genommen. An der Grenze sind wir zu Fuß von Israel nach Jordanien marschiert, haben ein paar jordanische Dinar gewechselt, unser Visum geholt und wieder in den Bus gehüpft. Schon Nachmittags sind wir in Amman angekommen. Vom Busbahnhof mussten wir ein Taxi zum Hostel nehmen und sind direkt auf die jordanischen Preise reingefallen. - Wir haben den 8fachen Preis bezahlt, worüber wir uns im Nachhinein sehr geärgert haben.
 Das arabische Großstadtleben hat mich sehr an die Altstadt Jerusalems und die Innenstadt Ramallahs erinnert. Es ist laut, lebhaft, chaotisch, und es gibt viele Stände mit Obst/Gemüse und Kleidern. Am nächsten Tag haben wir uns schon auf den Weg nach Petra gemacht. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal etwas so beeindruckendes wie diese alte, in Sandstein gemeißelte Stadt gesehen habe! Ich kam aus dem Staunen nicht mehr raus und war fasziniert von dem Anblick. Mitten in der scheinbar leeren, trockenen Wüste läuft man durch ausgetrocknete Flussbette und sieht über steinige Hügel... Und wenn man dann durch die richtige Felsspalte läuft, hat man den Anblick einer riesigen Tempelfassade. Wenn man weiter läuft, sieht man zig kleine Höhlen und in den Stein gemeißelte Bilder, weitere Säle bis hin zu riesigen Palästen. Hinzu kommt noch, dass man eine atemberaubende Aussicht in die weite Ferne hat! Petra war in der Antike die Hauptstadt der Nabatäer, später haben Beduinen darin gewohnt, welche heutzutage allerdings großteils umgesiedelt wurden. Falls jemand von euch die Gelegenheit hat in den Nahen Osten zu reisen – Petra ist in jedem Fall einen Abstecher wert!




Nach 2 Tagen fleißigem Ablaufen der Stadt sind wir weiter Richtung Süden gereist. Im Wadi Rum sind wir auf Kamelen geritten und in Aqaba, am Roten Meer waren wir noch Tauchen. Wir haben sogar eine Krake gesehen!

Viel zu schnell ging die Zeit vorbei und abermals sind wir zu Fuß über die Grenze von Aqaba nach Eilat gelaufen. Binnen weniger Minuten waren wir wieder zurück in Israel, was mir plötzlich so vertraut und heimisch erschien. Direkt hinter der Grenze hängen viele große Israel-Flaggen, der Reisepass wird streng unter die Lupe genommen, das Gepäck wird durchleuchtet und die Soldaten hinter dem Kontrollschalter reden Hebräisch, diese einst so fremde Sprache, von der ich jetzt einiges verstehe. Im Vergleich zum Arabischen in Jordanien natürlich ganz besonders.

Um die Osterzeit herum gibt es hier in Israel auch viele jüdische Feiertage, die mir die jüdisch-israelische Kultur nochmal um einiges näher gebracht haben. Hier in Israel gibt es Feiertage für alles und jeden! Alles muss ja auch gefeiert werden. Feiern ist ja auch was schönes! So ist die Stimmung hier.

Zum einen war da Purim: Purim ist der israelische Karneval. Alle verkleiden sich wild, es gibt auch Umzüge durch die Straßen, Veranstaltungen, es wird viel Alkohol getrunken – nur die rheinischeKarnevalsmusik fehlt! Bei mir im Kfar gab es eine Woche lang jeden Abend unterschiedliche Aktivitäten, wie z.B. Masken basteln oder ein Tattoo auf die Hand gemalt bekommen. Zum krönenden Abschluss war dann eine große Party, wo alle geschminkt und verkleidet wurden und auch die Volontärsband gespielt hat.Zu großen Veranstaltungen bekommen wir hier ins Kfar einen extra Gast: einen Tabukaspieler! Der macht richtig gute Stimmung, alle trommeln und es wird Gang-Nam Style und Eeeeh Makarena gesungen und getanzt. Wie an jedem Feiertag fallen abends alle müde ins Bett – vor allem die Organisatoren!

Eine Woche später ging der Feier-Maraton weiter: Pessach. Pessach war dieses Jahr zeitgleich mit den russischen und unseren Osterfeierlichkeiten. Daher war dieses Wochenende auch der Wahnsinn! Ich war sehr beschäftigt und dauernd unterwegs.

An Pessach wird an die 40 Jahre Sklaverei und den Auszug aus Ägypten erinnert. Pessach ist insofern die aufwändigste jüdische Feier, weil sie eine ganze Woche lang anhält und es ganz bestimmte traditionelle Vorschriften gibt. Während der ganzen Pessachzeit darf kein Brot gegessen werden. Generell alles mit Hefe oder Weizen wird für eine Woche strikt aus den Haushalten verbannt. Ob mann es glaubt oder nicht – selbst in Supermärkten kann man in dieser Zeit viele Produkte, die Spuren von Weizen oder Hefe enthalten, nicht kaufen. Die Regale im Supermarkt werden abgehängt und nur die Produkte, die frei ausliegen darf man kaufen! Kein Brot, keinen Fruchtsaft, keine Kekse, keine Tomatensoße, kein Puddingpulver, kein Kaugummi, kein Bier … - falls doch eins dieser Produkte benötigt wird, muss man schnell zum arabischen Supermarkt rennen.
Das Fest beginnt mit dem Pessach-Abend, der „laila seder“. Ich hatte das Glück und durfte diesen Abend in einer israelischen Familie verbringen. Die Stimmung an dem Abend ist in etwa vergleichbar mit Heiligabend bei uns. Klar, es gibt weder Weihnachtsschmuck noch einen Weihnachtsbaum, aber die ganze Familie kommt traditionell zusammen und es gibt ein großes Festessen. Kinder tragen ein Gedicht passend zu Pessach vor, wer ein Instrument spielt, gibt ein Stück zum Besten und in manchen Familien gibt es sogar Geschenke.Der größte Unterschied zum Weihnachtsabend ist jedoch, dass die „Pessach Haggadah“ gelesen wird. Im Laufe des Mahles wird diese Schrift von dem Familienoberhaupt gelesen. Darin wird der Auszug aus Ägypten nacherzählt. Zwischendurch gibt es viele Rituale, beginnend mit dem Hände waschen, gefolgt von dem Brechen einer „Matzah“, dem Pessach-Brot, welches nur aus Mehl und Wasser besteht, ungesäuert ist und leicht pappig schmeckt. Das Brot ist ungesäuert, da es es traditionell wie bei der Flucht aus Ägypten schnell gebacken werden muss, und keine Zeit zum gehen des Teiges blieb.
Während der ca 1,5h Zeremonie werden nach und nach ein Stück Ei (für die Fruchtbarkeit und Zerbrechlichkeit der Menschen), etwas Bitteres (Meerrettich, für die Bitterkeit der Knechtschaft in Ägypten), etwas Süßes (Dattelmouse, symbolisch für den Lehm aus den die Israelis in der Knechtschaft die Ziegel herstellten), eine Frucht aus der Erde (Radieschen, für die unterdrückende Arbeit in Ägpten) gegessen und 2 Gläser Wein getrunken, welche für den Propheten Elija bestimmt sind.
Danach gibt es das richtige Essen! Mmmh... viele Salate, unterschiedliche Fleischsorten, Gemüse und gefüllte Artischocken, zu guter Letzt gab es noch Eis mit gekochten Birnen und einen von uns gebackenen Käsekuchen. Das Highlight des Essens war jedoch die „Kneedle-Suppe“ und „gefillte Fish“ - Knödelsuppe und Fischbällchen. Die Namengebung stammt aus dem Jiddischen.

Am nächsten Tag ging es für mich direkt morgens früh los. Ich habe das Osterwochenende nämlich mit anderen Freiwilligen und unseren arabischen Freunden aus dem Projekt am Toten Meer und in Eilat verbracht. Mit dem Auto sind wir Richtung Süden gefahren und haben die Nächte im Zelt verbracht. Um möglichst sparsam und unkompliziert unterwegs zu sein, haben wir uns ganze 3 Tage nur von Humus, Tchina, Pita und ein bisschen Fleisch ernährt. Für 3 Tage war es super lecker!
Jetzt kann ich Humus und Pita nicht mehr sehen :D. Dieses Wochenende war das 1. richtig heiße hier in Israel! Wir sind um 1h morgens mit dem Auto durch die dunkle Nacht gefahren, hatten die Fensterauf, und es hat sich angefühlt, als würde ich von einem Föhn angepustet werden. Am Ostersonntag war ich also sowohl im Toten, als auch im Roten Meer und habe dabei ganz die Osterfeierlichkeiten vergessen. Allerdings haben Milena und ich einen Osterspaziergang mit unseren Membern gemacht, und um ein wenig in Osterstimmung zu kommen ein paar Nester versteckt!
Totes Meer
Rotes Meer, Blick auf Eilat, rechts im Hintergrund: Aqaba, Jordanien
Sonntag Abend waren wir zurück in Tivon. Montag Mittag gings direkt weiter: Milena (eine Mitfreiwillige) und ich waren bei einer russisch-ukrainischen Mitarbeiterin Jelena zum Osteressen eingeladen. Pünktlich um 13h saß die ganze Familie, wir zwei Deutsche und noch ein indischer Mitarbeiter, der auch eingeladen war um den reich gedeckten Tisch. Nicht nur das Essen war anders als bei uns, auch die Tradition. Das erste, was wir taten war also – mittags um 13h, passend zum Mittagessen– mit einem Shot Whiskey auf Ostern anzustoßen. Sehr skurril alles. Auch hier sind wir mehr als satt geworden, von Meeresfrüchtesalat über Pastete, Gemüse, Fleisch, Wodka, Whiskey … alles was eben dazu gehört! Zum Nachtisch hatte Jelena für uns kleine Osterhasen gebacken (sie hatte sich vorher im Internet schlau gemacht, wie denn bei uns Ostern gefeiert wird!). Eine sehr sehr herzliche Frau ist sie und reden tut sie auch viel! Allerdings nur auf Hebräisch. In diesem Zusammenhang muss ich sagen, dass ich meine Hebräischkenntnisse an diesem Wochenende auf die Probe stellen musste und selber überrascht war, wie viel ich doch schon verstehe, wenn es eben gehen muss und Englisch einen gar nicht weiter bringt. Sowohl an dem Wochenende in Eilat, als auch bei Jelena wurde nämlich nur Hebräisch geredet.

Vorerst Feierpause! Anfang Mai ging es weiter mit dem Holocaust-Day, dem Soldier-Day und dem Independence-Day.
Der Holocaust-Day war ein sehr trauriger und auch bewegender Tag. Am Abend wird er um 22h mit einer einminütigen Sirene und gleichzeitigen Schweigeminute eingeleitet. Für jedes Opfer des Holocaust wird an diesem Tag eine Kerze angezündet, und es wird viel getrauert. Auch am nächsten Mittag gibt es nocheinmal eine Schweigeminute und in einer Zeremonie hat ein jeder die Möglichkeit die Geschichte seiner Familie zu erzählen. Jedes Jahr wird einer bestimmten Gruppe gedacht. Den ganzen Tag über wird keine laute Musik gehört, wird nicht gelacht oder gespaßt. Die ganze Atmosphäre ist sehr bedacht und betrübt.
Für mich war es eine wichtige Erfahrung, diesen Tag hier in Israel mitzuerleben, auch wenn es ein komisches Gefühl war, an diesem Tag Deutsch zu sprechen und gefühlt als einzige Person nicht familiär beteiligt zu sein.

Der Soldier-Day erinnert an alle gefallenen Soldaten in den Kriegen Israels seit 1948. Auch dieser Feiertag wird durch eine Sirene und Schweigeminute eingeläutet und auch am darauffolgenden Mittag gibt es eine Schweigeminute. Zum Zeitpunkt der Schweigeminute habe ich mich an einer Bushaltestelle befunden. Es war wirklich faszinierend, wie Punkt 11h alle Autos angehalten haben, die Fahrer ausgestiegen sind und alle still standen. Ganz Israel steht eine Minute lang still. Keiner bewegt sich. Und eine Minute lang schrillt ohrenbetäubend die Sirene.
Der Soldier-Day geht direkt in den Independence-Day über, da die gefallenen Soldaten in engen Zusammenhang mit der Israelischen Unabhängigkeit stehen. Am Unabhängingkeitstag „dreht dann ganz Israel am Rad“. Überall hängen Israel Flaggen: an Autobahnen, Autos, Häusern, es gibt Anhänger, Luftspielzeuge oder Haarreifen. Hauptsache alles ist blau-weiß! Am Abend des Unabhängigkeitstages sind alle Menschen draußen auf den Straßen, es wird BBQ gemacht, gesungen, gelacht, getanzt, die Schulklassen führen Tänze auf, und die Kinder dürfen bis lange in die Nacht wach bleiben. Der israelische Nationalstolz ist etwas, das für mich als Deutsche eher befremdlich ist. Allein die Vorstellung, wie es wäre, wenn so viele Deutschlandflaggen aufgehängt wären, ist für mich komisch. Aber hier ist es normal, und wenn man sich drauf einlässt, hat man auch schnell einen Israel-Botton am T-Shirt und einen Lufthammer mit Israelflagge in der Hand.Abgesehen von den ganzen Feiertagen, bin ich in der letzten Zeit auch noch mal gut in Israel rumgekommen. Meine Freundin Tabea kam mich besuchen und ein paar Tage lang sind wir noch mit zwei anderen Volontärinnen den Golan-Trail gewandert. Wir sind in Odem bei einem Bekannten von Milena gestartet. Ein paar Tage zuvor hatten wir in Jerusalem auf dem Markt ein paar leckere Sachen zum Essen wie Tchina, Oliven, Nussbrot, Baklava, getrocknete Früchte... gekauft. Ich muss sagen, ich hatte mich schon richtig auf unsere Picknickpausen gefreut, bei den Leckereien! Auf dem Weg in den Golan fing dann schon das Unglück mit unserem Essen an. Die Tüte mit dem Baklava haben wir bei all dem Gepäck einfach im Bus liegen lassen. Am nächsten Morgen in Odem beim Frühstück ging es dann weiter ...Ich fing an, den Tisch draußen zu decken und den Kaffee vorzubereiten – als der Kaffee gemacht war, war das Brot nicht mehr da. Zuerst dachte ich, Milena hätte es vielleicht wieder rein geholt, aber nein, es hatte sich der uns unbekannte Hund des Gastgebers daran erfreut und es einfach vom Tisch geklaut. Das wars dann mit dem leckeren Nussbrot, kalte Nudeln zum Frühstück. Für den ersten Tag hatten wir noch genug – ein paar Kräcker, Tchina, Oliven, getrocknete Früchte und etwas Rohkost. Viel war das allerdings nicht. Umso mehr haben wir uns gefreut, als wir bei unserer Picknickpause auf eine große Wandergesellschaft getroffen sind, die noch soo viel Picknickreste übrig hatte und uns zum Essen eingeladen hat.
So gab´s unerwartet Erbsensalat, Taboulet, Vollkornbrot, Humus, Wassermelone, Kekse und vieles mehr. Gestärkt gings auf die 2. Etappe entlang an „Danger Mines“- und „Stay on the path“- Schildern und der Sicht auf Syrien. Hier und da stand am Wegesrand ein verlassener Panzer. Auch an dem Tal, in dem der Jom-Kippur-Krieg begann, sind wir vorbeigewandert.
Am 1. Tag haben wir 20 Kilometer zuückgelegt. Beim Suchen nach einem geeigneten Zeltplatz hat unsere Glückssträhne dann weiter angehalten. Zufälligerweise sind wir auf Jugendliche aus dem nahgegelegenen Kibbutz getroffen, welche uns eine leere Wohnung als Schlafplatz anbieten konnten. Auch hier wurden wir mit Speis und Trank versorgt und unser Proviant hat noch ein bisschen länger gehalten. Am nächsten Tag war unsere Strecke nicht ganz so weit, aber nicht weniger anstrengend. Der 2. Tag war nämlich 5 Grad wärmer und komplett windstill. Bei 32°C sind wir also durch die pralle Sonne gelaufen. Das Highlight des Tages war die Wanderung auf den Mt. Bental neben Merom Golan. Von dort aus hatten wir eine fantastische Aussicht. Richtung Westen konnte man beinahe bis zur Mittelmeerküste schauen, Richtung Norden bis nach Libanon und Richtung Osten nach Syrien.
Ein skurriles Bild! Der Golan ist so wunderschön! Es ist grün, man hat eine fantastische Aussicht, es gibt Felder, Blumen und Seen, hier und da zwitschern Vögel. Wir haben sogar 2 wilde Schildkröten gesehen. Und dann im Gegensatz zu dieser Friedlichkeit kannst du ab und zu eine weit entfernte Erschütterung hören. Nachts sogar den Lichtkegel von den Bomben, die in Syrien fallen. Nur ein paar Kilometer entfernt, während du friedlich durch die Natur wanderst... das angsteinflößenste waren allerdings die heulenden Kojoten in der dritten Nacht, nicht weit von unserem Zelt entfernt.
Zwischen all dem Feiern und Reisen musste ich dann noch mit meiner WG in eine andere Wohnung umziehen, da unser altes Haus verkauft wurde. Es war zwar viel Stress, der uns allen nicht so richtig reingepasst hat, unsere neue Wohnung ist jedoch um einiges schöner. Wir wohnen jetzt im 3. Stock und haben eine tolle Aussicht vom Küchenfenster übers Wadi – ins Tal. So macht Kochen nochmal mehr Spaß!;) Außerdem war hier in Israel eine riesige Schmetterlingswelle! Das könnt ihr euch gar nicht vorstellen. Scharen von roten Schmetterlingen sind vom Sinai über Israel Richtung Norden geflogen. Es war eines Freitag Morgens, als ich dies bemerkte. Ich lag nach dem Surfen am Strand und habe in den blauen Himmel geguckt, als ich mich über die vielen Schattenwerfer gewundert habe. Hunderte von Schmetterlingen konnte ich auf einmal sehen. Der Wahnsinn! Abgesehen vom Surfen gehe ich hier öfter mal Klettern und regelmäßig zum Malen, was mich sehr erfüllt. Im Moment male ich ein Foto von mir hier in Israel auf Öl. Ich habe im Moment für Dinge Zeit, die mir in Deutschland zwar auch schon Spaß gemacht haben, aber immer zu kurz kamen.

Letzte Woche hatten wir eine große Feier im Kfar. Dieses Jahr ist 50 jähriges Jubiläum der Gründung von Kfar Tikva. Seit Beginn gibt es hier deutsche Volontäre, die das Kfar seitdem mit aufgebaut haben und bis heute mit prägen. Zu diesem Anlass gab es eine große Feier. Es waren mehrere ehemalige Volontäre eingeladen, die auch Ansprachen gehalten haben. Faszinierend, was innerhalb von 50 Jahren aus diesem Fleckchen Erde geworden ist! Auch unser Tarbukaspieler war wieder da und hat die Stimmung aufgeheizt! Es gab noch eine Besonderheit an diesem Tag: Wir hatten Gäste aus Deutschland zu Besuch. Eine Gruppe von Menschen mit Behinderung aus dem Heinrich-Heine-Haus in Neuwied haben uns für ein paar Tage hier in Israel besucht. Eine kleine Gruppe von unseren Membern (die die etwas Deutsch sprechen) und wir Volontäre als Betreuung, sind 2 Tage lang mit unseren Gästen rumgereist. So hatte ich z.B. die Möglichkeit eine Bootstour auf dem See Genezareth zu machen und nach Akko zu kommen.


Meine Zeit hier rast nur so vorbei und fast jedes Wochenende ist schon was geplant. Die erste Mitfreiwillige macht sich sogar schon in zwei Wochen auf den Weg nach Hause. Ich genieße noch die letzten 3 Monate in vollen Zügen, genieße die Sonne, den Strand, das Surfen, die Arbeit mit den einzigartigen Membern und die Freiheiten, die ich hier in Israel genieße!
Fühlt euch gedrückt,

Allerliebste Grüße aus Israel!


                                                                                           Eure Malin

Sonntag, 25. Mai 2014


Rundbrief 2 - Das Land, die Kultur, die Politik, die Religion

Die Fotos die in diesen Rundbrief gehören wurden leider nicht mit hochgeladen - ich werde sie noch nachträglich einfügen!

Hallo liebe Daheimgebliebenen!

Nach langer Zeit kommt hier wieder ein Lebenszeichen von mir! Ein wenig verspätet, aber trotzdem nicht weniger herzlich wünsche ich euch allen noch ein frohes neues Jahr und hoffe, dass es viele tolle und erfüllende Momente für euch mit sich bringt.

In diesem Rundbrief werde ich weniger von meiner Arbeit berichten und mehr von meinen Erfahrungen und Reisen außerhalb des Projekts. Meine Absicht ist es nämlich, einen Eindruck vom Land Israel zu vermitteln. Dies ist keine einfache Aufgabe, denn es gibt nicht DIE Kultur, DIE Politik, DIE Religion, über die ich sprechen kann. Es gibt ja nicht mal so ganz einfach das Land, über das ich sprechen kann. Israel ist der jüdische Staat, allerdings kommen die hier wohnenden Juden ursprünglich aus allen Ecken der Welt, daher gibt es keine einheitliche Kultur. Das Judentum ist zwar die am meisten vertretene Kultur hier in Israel, aber es gibt noch viele weitere Kulturkreise. Zur politischen Lage kann man nur sagen … sie ist kompliziert. Kurz: das Leben hier ist munter, vielseitig, herzlich und offen, aber es zu erklären ist kompliziert. Eigentlich muss man es selbst erleben!

Ich werde ich einfach ein paar Beispiele aus meinen eigenen Erfahrungen im Alltag herauspicken und euch erzählen.

Ich werde von dem Land Israel erzählen – plus minus die palästinensischen Gebiete. Ich werde von der jüdischen Kultur berichten – wobei es große Unterschiede zwischen säkularen Juden, orthodoxen Juden und ultraorthodoxen Juden gibt. Ich werde von der parallelen arabischen Kultur berichten, wobei es sowohl muslimische, als auch christliche Araber gibt. Und da sind wir auch schon beim Thema Religion, welches hier in Israel eine entscheidende Rolle spielt. Juden, Araber, Christen (und weitere kleinere Kreise wie die Bahai) wohnen hier auf engstem Raum zusammen, denn die religiösen Stätten wie Jericho, Bethlehem, Hebron und vor allem Jerusalem spielen sowohl in der Thora, als auch im Koran, als auch in der Bibel eine wichtige Rolle. So streiten sich viele um diesen kleinen Fleck Erde.


Israel, mit einer Bevölkerung von 7,9 Mio Menschen, aber nur so groß wie Hessen, hat landschaftlich unglaublich viel zu bieten. Von den Golanhöhen im Norden, welche super zum Wandern sind, über den See Genezareth, weiter über die Mittelmeerküste und ihre wunderschönen Hafenstädte wie Akko, Haifa, Tel Aviv und Jaffo. Im Landesinneren das Tote Meer, die Negevwüste, eine Steinwüste mit unbeschreiblich schönen Aussichtspunkten (bis rüber nach Jordanien) und zuletzt ganz im Süden Eilat, der Zipfel am roten Meer. Da Israel so klein und gut mit Bussen zu bereisen ist, habe ich schon unzählige Wochenendtrips gemacht. Mit den anderen Volontären zusammen, reise ich Donnerstag nach der Arbeit ab und verbringe dann 1-2 Nächte irgendwo anders.


Vor ein paar Wochen zum Beispiel bin ich zusammen mit einer Volontärin eine Sozialarbeiterin aus dem Projekt im Kibbutz „Harduff“ besuchen gefahren. Dieses Kibbutz ist anthroposophisch und hat uns daher ein bisschen an die Heimat erinnert. Ein vegetarisches Kibbutz-Restaurant, Strickklamotten und Dr. Hauschka und Weleda Cremes im Kibbutz-Shop. Eine tolle Erfahrung, denn so ein Kibbutz ist ganz schön familien- und kinderfreundlich. Innerhalb des Kibbutzes fahren kaum Autos und alles liegt nah beieinander; Haus, Schule, Freunde, Spielgelegenheiten. In diesem Kibbutz gibt es sogar eine integrierte Behinderteneinrichtung, die viele Parallelen zu meiner Projektstelle aufweist. Was es im Vergleich zu traditionellen Kibbuzim nicht gab war eine „Chadar ochel“, ein gemeinsamer Speisesaal. Dies war ein typisch israelisches Wochenende, an welchem wir das Kibbutzleben inklusive Shabbatessen erlebt haben. Dies ist nur eines von vielen Beispielen, die die Gastfreundlichkeit der Israelis zeigt. Oft wird man eingeladen, zum Besuch, nach Hause und zum Essen.


Vor nicht allzu langer Zeit haben wir vom Projekt aus einen Volontärs-Ausflug in die Negevwüste nach Mizpe Ramon gemacht. Mizpe Ramon ist ein natürlicher Krater, mitten in der Wüste und bietet atemberaubende Aussichten. Am ersten Tag haben wir nach einer langen Wanderung im Krater ein Lagerfeuer und Abendessen gemacht und in einem Beduinenzelt geschlafen. Tagsüber ist es brüllend heiß und sonnig, nachts wird es super kalt. Zum Glück hatte ich eine Wärmflasche dabei. ;) Am nächsten Tag waren wir in einem Museum und haben den Ausblick vom Kraterrand genossen. Der Ausflug war zwar relativ kurz, dennoch hat es den Kontakt zwischen uns deutschen und zu den israelischen Volontären sowie zu unserem Koordinator sehr gestärkt.
Es war nicht das erste mal, dass ich einen Ausflug in die Wüste gemacht habe, denn auch am Toten Meer und bei Ein Gedi war ich schon. Die Negevwüste ist eine Steinwüste. So trocken sie auch ist, wohnen die Beduinen in unterschiedlichen Teilen in kleinen Hütten. Sowohl die Siedlungen, als auch die Beduinen selber sieht man am Straßenrand, z.B. beim Kamele treiben.

Ein Wochenende später war ich in Jerusalem. Da ich von Kiryat Tivon mit dem Direktbus nur 1,5h bis dorthin brauche war ich schon einige Male dort. Dieses Wochenende war ich zuerst auf einem Volontärsseminar und abends bei einem Volontärs-Abendessen von der deutschen Erlöserkirchengemeinde. Auch habe ich bei anderen Volontären übernachten können. Es gibt wirklich viele Angebote für Volontäre, denn hier in Israel gibt es alleine 800 Deutsche Volontäre! Am nächsten Tag habe ich bei einem Ausflug von „Breaking the Silence“ teilgenommen. Dies ist eine Organistation von ehemaligen Soldaten der IDF(Israel Defense Forces), die über die politische Lage, die israelische Armee und vieles mehr aufklären. Wir sind nach Hebron gefahren und durch eine jüdische Siedlung auf palästinensischem Boden gelaufen. Die Siedlug besteht aus 20% der Stadt. In den arabischen Teil sind wir nicht gegangen. Das Ganze war hoch interessant, eindrucksvoll aber auch schockierend! An solchen Tagen wird einem der Konflik zwischen Israelis und Palästinensern in seinem ganzen Ausmaß bewusst.

An einem anderen Wochenende habe ich mich „auf die andere Seite“ getraut. Zu Weihnachten habe ich von Rebekka einen Hamam-Gutschein geschenkt bekommen (Hamam ist so ähnlich wie eine Dampfsauna). Diesen haben wir in Ramallah eingelöst. Luftlinie zwischen Tivon und Ramallah beträgt ca. 90km. Um allerdings mit Bussen bis dort hin zu gelangen muss man ca. 5h Fahrzeit rechnen. Ein Direktbus bis nach Jerusalem (wie eben schon erwähnt 1,5h) welcher ca 8€ kostet, innerhalb Jerusalems muss man dann zum arabischen Busbahnhof Ostjerusalems gelangen. Von dort fährt ein Direktbus bis nach Ramallah, für ca. 1,5€. Die Fahrt geht hauptsächlich an der Mauer entlang bis zum Checkpoint, daher zieht sich die Fahrt ziemlich in die Länge. Einmal über den Checkpoint gelangt ist man dann auch flott angekommen. Schon komisch, dass für uns die Einreise an sich kein Problem ist – für die Israelis allerdings ein absolutes Tabu, da es A-Zonen Gebiet ist.
In Palästina kommt man wie in eine andere Welt. Alles ist chaotischer, wuseliger,
die Frauen tragen großteils Kopftuch oder sogar Burka und statt Hebräisch wird Arabisch gesprochen. Uns fällt es schwer unsere grade erst stolz erworbenen Hebräisch-Kenntnisse zu verbergen und uns als „einfache Touristen“ auszugeben. Denn ein lieb gemeintes „Shalom“ (hallo) oder „Toda“ (Danke) ist ganz schön verpönt und macht einem keine Freunde, sondern führt schnell zu einer angespannten Stimmung. Da Freitag ist, ist in der arabischen Stadt alles wie ausgestorben. Erst Nachmittags geht das Leben wieder los und wir erkunden die Stadt. Wir schlafen in einem Hostel, welches super gemütlich und ein Treffpunkt für alle Europäer ist. Vom Hostel aus werden jedes Wochenende Touren durch die Stadt angeboten. Wirklich auffällig ist, dass in Palästina kaum Gelder in die Tourismusbranche fließen, was das Bereisen noch zu einer Herausforderung macht. Seit letztem Jahr gibt es allerdings in allen großen palästinänsischen Städten Hostels, welche immer auch private Führungen anbieten. Vom Reisen, Unterkunft und Essen ist es in Palästina um einiges günstiger als Israel.
Auffällig fand ich auch, dass die Busfahrer besser Englisch können, als hier in Israel.

Nun möchte ich aber noch einmal genauer auf die israelische Kultur eingehen. Wie schon erwähnt, geht es viel um Religion. Nicht nur einmal wurde ich gefragt, ob ich Jude sei. Als ich die Frage verneint habe war mein Gesprächspartner sehr erstaunt und hat mich gefragt, warum ich denn dann überhaupt hier sei. Wenn ich dann sage, dass ich hier einfach nur so als Volontär arbeite, sind viele verwundert, aber total begeistert darüber, dass ich dies für den Staat Israel tue.

Den ersten Kontakt zu Israelis hatte ich auf der Arbeit, zu gleichaltrigen israelischen Volontären, „Shinshin“, die auch ein soziales Jahr nach der Schule und vor ihrem Militärsdienst leisten. Dieser direkte Deutsch-Israelische-Austausch ist ziemlich intensiv und unglaublich erfüllend. Wir deutsche Volontäre lernen durch sie viel über die israelische Mentalität, Ansichten, die Kultur etc., aber sie sind auch sehr interessiert an unserer Ansicht über Deutschland, Israel und das Christentum. z.B. haben wir mit ihnen ein richtiges Weihnachts-Festmahl gefeiert. Wir haben gekocht, gebacken und musiziert: Flädlesuppe, Kartoffelsalat und Würstchen, Königinpastete, Rotkohl, Erbsen, Brot und zum Nachtisch Kuchen und Plätzlichen … und sie davon überzeugen können, Weihnachten mal in Deutschland zu erleben.

Wir zeigen und erzählen den Shinshin ein wenig von unserer Kultur, wir jedoch können die israelische Kultur richtig miterleben. Denn in Israel gibt es unzählig viele Feiertage! Jom-Kippur, Sukkot, Rosh ha Schana (jüdisches Neujahr) und Chanukka (ähnlich wie Weihnachten) waren schon, Purim (ähnlich wie Karneval) und Pessach kommen noch. Bei uns im Kfar werden diese Feiertage alle gefeiert und wir Volontäre der Musikgruppe untermalen die Feiern musikalisch. Das Besondere an jüdischen Feiertagen ist, dass sie immer bei Sonnenuntergang beginnen und bei Sonnenuntergang des darauf folgenden Tages enden. In der jüdischen Kultur gibt es viel Musik und es wird gesungen, getanzt und gegessen!

Das Gleiche gilt für Shabbat, welcher jeden Samstag gefeiert wird. Shabbat wird unterschiedlich ausgeprägt gefeiert, so dürfen orthodoxe Juden keine elektrischen Geräte betätigen (inklusive Herd, Lichtschalter, Auto, …) und säkulare Juden nutzen den Shabbat als Familienausflugstag. Von Freitag Mittag bis Samstag Abend fahren keine israelischen Buslinien, daher müssen wir uns früh genug überlegen, ob wir das Wochenende woanders verbrigen wollen. Hier in Kiryat Tivon haben wir allerdings das Glück, dass wir in der Nähe von Nazareth wohnen und es daher arabische Busse gibt, die uns selbst am Shabbat nach Haifa bringen können. Damit sind wir am Wochenende besser angebunden, als manch anderer in Tel Aviv!

Eine typisch jüdische Tradition ist auch koscheres Essen. Dies bedeutet, dass Fleisch- und Milchprodukte nicht gleichzeitig oder von einem Geschirr gegessen werden dürfen. Koscher Essen wird hier allerdings von Familie zu Familie unterschiedlich streng gesehen. Fleisch- und Milchprodukte dürfen demnach eigentlich nicht mal im gleichen Kühlschrank aufgehoben werden. Was jedoch die meisten hier wirklich nicht essen würden, wäre z.B. eine Salami-Pizza mit Käse. Traurig aber wahr: bei einem koscheren Mc Donalds kann man hier keinen Cheesburger finden.

Die jüdischen Feiertage sind einheitlich, sonstige traditionelle Sitten können allerdings stark variieren. Dies ist leicht verständlich, wenn man sich bewusst macht, dass die meisten israelischen Juden erst in der 2. Generation hier leben und ursprünglich aus Russland, Europa, Amerika, Äthiopien oder anderen Nahost-Ländern kommen. Demnach gibt es sogar auch arabische Juden. Hebräisch ist eine sehr junge Sprache und viele Israelis sprechen neben dieser Landessprache noch Englisch und/oder Jiddisch/Deutsch, Französisch, Spanisch, Russisch, Arabisch, Persisch …
Aus dem gleichen Grund fällt es mir schwer, eine israelische Esskultur zu benennen. Klar, wir essen hier super oft und gerne Falaffel, Humus (Kichererbsenmus) und Trina (eine Sesam-Soße), aber ansonsten wird hier ziemlich interkulturell gekocht. Wegen des warmen Klimas hat Israel das Glück, dass hier viel Obst und Gemüse wächst. Dieses reicht von Avocado und Kartoffeln über Orangen, Pomelos und Khaki bis hin zu Mandeln, Maracuja und Bananen. Bei mir im Projekt stehen vier große Pomelo-Bäume, so pflücken wir uns jede Frühstückspause eine frische Frucht. Wenn man durch die Straßen läuft findet man auch immer mal wieder einen Orangen- oder Granatapfelbaum für eine Wegzehrung. Irgendwie schon paradiesisch.

Ein großer Unterschied zwischen Israel und Deutschland ist, dass das Militär in Israel Teil des täglichen Lebens ist. Jeder Jugendliche muss in der Armee dienen. Frauen zwei, Männer drei Jahre. Die Meinungen darüber sind sehr geteilt, aber da Israel in akuten, politischen Konflikten involviert ist, bleibt den jungen Israelis gar keine andere Wahl, als für ihr Land zu dienen und Israel zu verteidigen. Das macht es für uns schwer, gleichaltrige Israelis kennenzulernen, da fast alle zwischen 18 und 22 in der Armee sind und nur alle zwei Wochen das Wochenende zuhause verbringen.

Diese Woche war ich auf einem Freiwilligenseminar, welches über die Entwicklung das Staates Israel war. Wir hatten einige Vorträge zur Entwicklung der Kibbuzim, der Kunst und des Schulsystems. Besonders hat mich der Vortrag zum israelischen Schulwesen zum Staunen gebracht.

Es gibt eine Schulpflicht von 12 Jahren und alle Israelis gehen aufs Gymnasium. Eine Realschule oder Hauptschule gibt es nicht. Auch gibt es nicht die Möglichkeit eine Ausbildung zu machen. Daher versuchen alle, ihre Abschlussprüfung (mit dem Abitur zu vergleichen) zu bekommen, um studieren zu können. Das Erschreckende ist allerdings, dass im Schnitt nur 50% aller Schüler diese bestehen! Die Zahlen schwanken sehr von Region zu Region. Fallss man durchfällt, gibt es die Möglichkeit, die Abschlussprüfung nach dem Militär noch einmal zu wiederholen, denn sonst hat man keinen Schulabschluss.
Die orthodoxen Juden haben ihre eigenen Thora-Schulen. In den Thora-Schulen wird das Judentum gelehrt, alle weiteren Themen wie Naturwissenschaften, Demokratie, Zionismus … werden ausgelassen. Dies führt dazu, dass orthodoxe Schüler eine komplett andere Bildung haben, als alle anderen Israelis. Ich selber weiß relativ wenig über orthodoxe Juden und ihre Sitten, denn sie sind kaum in die Gesellschaft integriert. Oft trifft man bei Israelis sogar auf Wut, wenn man auf die Orthodoxen zu sprechen kommt. Einer der Gründe ist, dass sie von der Armee-Pflicht befreit sind – dieses Recht wird im Moment allerdings stark diskutiert. Ein anderer Grund ist, dass sie nicht verpflichtet sind zu arbeiten und auf Staatskosten leben. Das Resultat dieses Systems ist, dass es in Israel eine sehr breite Bildunsspanne und zu wenig ausgebildete Handwerker gibt.
In diesem Zusammenhang muss ich noch erwähnen, dass in Israel Religion und Staat nicht getrennt sind. Dies ist zwar die Grundlage des jüdischen Staates Israel, es ruft jedoch viele Probleme auf und erschwert einiges in dieser heterogenen Gesellschaft.

Ich bin wirklich froh, dass ich neben meiner Arbeit so viele Möglichkeiten habe dieses Land zu bereisen und seine Bewohner kennen zu lernen. Es ist einfach so unglaublich interessant und vielseitig. Es ist so ein Mix zwischen Natur und Kultur sowie Spannung und Entspannung. Ich genieße es, viele Erfahrugen zu machen und Zeit zu haben, über mich und die Welt nachzudenken. Dabei bin ich ziemlich verblüfft, dass schon die Hälfte meiner Zeit hier vorbei ist. Für die nächsten Wochen und Monate habe ich schon einiges geplant, das Wetter wird noch besser und die Zeit vergeht im Nu. Ich bin so dankbar, diese Erfahrugen machen zu dürfen und mich von diesem Land, diesen Menschen, dieser Zeit bereichern zu lassen!

Ein dicker Kuss nach Hause,

Eure Malin    (Geschrieben Februar 2014)

PS: Der nächste Rundbrief kommt schon in wenigen Tagen! :) 


Montag, 18. November 2013

Malins Arbeit und Alltag


Aller liebste Familie, Freunde und Förderer!

Schon sind 2 Monate in Israel rum und es wird Zeit für meinen ersten richtigen Rundbrief aus dem nahen Osten.  Bisher fühlte sich das Ganze hier noch ein bisschen wie ein langer Urlaub an. – Tolles Wetter, Sonne, Strand, Reisen … Erst langsam realisiere ich, dass sich hier ein ganzes Leben aufbaut. – Freunde, Arbeit, Alltag und auch Schwierigkeiten. Ich habe mich wunderbar hier in Kfar Tikva eingefunden und genieße jeden Tag aufs Neue!
Jetzt, wo ich selber ein  wenig Ahnung habe wie hier in Israel alles abläuft und wie im Projekt alles funktioniert, möchte ich auch euch daran Teil haben lassen. Ich wohne in einem kleinen Ort, Kiryat Tivon, nicht weit von Haifa und arbeite in „Kfar Tikva“ = „Dorf der Hoffnung“- ein Platz, wo 200 Menschen mit Behinderung ( wir nennen sie Member) wohnen, arbeiten und leben. Eine kleine Ausnahme gibt es, und zwar wohnen ca. 50 sehr selbstständige  Member außerhalb des Projektes. Manche von ihnen arbeiten sogar in der Ortsbäckerei oder einer Wäscherei und nutzen nur die restliche Betreuung des Projektes. Alles sind Erwachsende. Außerdem gibt es 12 deutsche Volontäre, 5 israelische Volontäre und viele andere Mitarbeiter. Es ist eine wunderbare Lage, nicht weit vom Ort, mit toller Aussicht und Blick ins Tal.





Angelegt wie ein Dorf, wohnen die Member in eigenen Häusern. Manche alleine, zu zweit oder in einer Wohngemeinschaft. Mahlzeiten werden in der „Chadar Ochel“ eingenommen, dem gemeinsamen Speisesaal. Die Member arbeiten in unterschiedlichen Gruppen. Im unteren Bereich des Dorfes befinden sich Werkstätten, wie z.B. die Kerzenfabrik, Filz, Holz,  Keramik, Kita Or und Kita Oren (kreative Workshops, in denen alte und stark eingeschränkte Member arbeiten). Außerdem gibt es ein Gartenteam und  die „Pinat Chai“, einen kleinen Bauernhof mit unterschiedlichsten Tieren, wie Pferd, Esel, Nasenbär, Ziegen und Schafe, Kaninchen und Hamster, Frettchen, Tauben und Wellensittiche, Hühner …  Ich selber arbeite mit einer weiteren deutschen Volontärin und der Workshop-Leiterin in der Filz-Werkstatt.
Hier gefällt es mir besonders gut, da ich viele kreative Ideen und Vorschläge mit einbringen und umsetzen kann. So fangen wir dieses Jahr z.B. an Filzblumen und Taschen zu machen. Das habe ich bereits in Deutschland mal gemacht und bringe es jetzt den Membern bei. Das ist hier allerdings nicht so einfach, da körperliche Behinderungen oder ein Sturkopf dem Verständnis im Weg stehen können. So weiß z.B. Ella* ganz genau, wann sie Wasser und wann sie Seife dazu geben muss, damit eine schöne Tasche bei rauskommt. Trotzdem ruft sie alle paar Minuten nach mir und möchte, dass ich doch mal ihre Arbeit überprüfe und sie kräftig lobe. Danach arbeitet sie engagiert weiter. Eine andere Memberin hingegen möchte am Morgen alles anfangen zu filzen, was sie grade nicht in die Hände bekommen soll, weil sie ein Händchen dafür hat, Dinge zu zerschneiden oder auseinander zu rupfen. Sobald man ihr dann doch eine Arbeit anvertraut oder sie darum bittet etwas zu tun sträubt sie sich und trotzt: „Lo, ani lo rotza“, was so viel heißt wie „Nein, ich will nicht“. Dagegen kann man dann auch nur schwer etwas tun. Die meisten anderen jedoch sind sehr fleißig, arbeitswillig und motiviert, was in anderen Werkstätten aufgrund des Behinderungsgrades nicht immer möglich ist.
Generell im Kfar und ebenso bei uns in der Werkstatt geht es weniger um das Produktive, als um die sinnvolle Beschäftigung der Member. Auch wenn man mal hier und da zu verzweifeln droht, da einem alle auf dem Kopf rum tanzen und an alles denken, nur nicht daran auf Anweisungen zu hören, so kann man am Ende des Tages doch immer auf ein paar fertige Filzblumen blicken und denkt sich: „irgendwie klappt’s ja doch!“.
In meinem Workshop haben wir 15 Member, die zwischen 21 und 60 Jahre alt sind. Die Art von Behinderung und der Behinderungsgrad sind dabei sehr unterschiedlich. Sowohl physische als auch psychische Einschränkungen, autistische Menschen, welche die unter schweren Depressionen leiden, Behinderungen, die von Geburt an sind und andere, die durch ein traumatisches Ereignis verursacht wurden. Trotz der bunten Mischung, oder vielleicht sogar grade wegen der bunten Mischung kommen alle gut miteinander klar und  sorgen für einander. Wenn ich morgens in den Workshop komme werde ich fröhlich Empfangen mit: „Boker tov, Malin!“ oder „Ma nisch ma?“ (Guten Morgen Malin! Wie geht’s dir?). Einige umarmen mich stürmisch zur Begrüßung, andere schenken mir ihr schönstes Lächeln. Jeden Morgen freue ich mich schon drauf und fühle mich nicht nur willkommen, sondern auch erwünscht. 

mein Filzworkshop, mit den insgesamt 15 Membern





Insgesamt muss man sagen, dass alle Member hier sehr selbstständig sind und nur mehr oder weniger Unterstützung benötigen. Hier zeigt sich auch das Motto des Projekts: „Hilf mir, es selbst zu tun.“ Genau das spiegelt sich auch in unseren Aufgabenfeldern wieder.
Morgens müssen einige Member geweckt werden, andere benötigen leichte Hilfe beim Duschen, dies ist jedoch noch weit von „Pflege“ entfernt. Danach arbeiten wir von 8h-12h in unserem festen Workshop. Mittags hat man ab und zu Essensausgabe. Nach einer kleinen Mittagspause beginnt das Nachmittagsprogramm, welches sehr vielseitig und individuell ist. Von den israelischen und deutschen Freiwilligen werden unterschiedliche Aktivitäten und AGs angeboten.
So z.B. das Sportprogramm von Fußball über Basketball und Fahrradfahren bis hin zu Spazieren oder Tanzen. Einmal die Woche gibt es eine Falaffelfahrt und eine Pita-AG. Es gibt ein Café, einen Karaoke-Abend, Kino-Abend, Tanzen, Disko … eigene Ideen können gerne verwirklicht werden.
Unabhängig von dem Angebot der Freiwilligen gibt es Unterricht für die jüngeren Member, Hebräisch Unterricht für nicht Muttersprachler, Musikunterricht, einen Chor, Malen, eine Diät-Gruppe, einen Raum zum Musik hören und einen zum Spielen. Außerdem gibt es ganz neu einen Snoozelraum und Sportgeräte im Außenbereich. Erst nach und nach habe ich das vielseitige Angebot entdeckt und bin wirklich fasziniert wie viel Organisation dahinter steckt und wie viele Möglichkeiten die Member haben.
Zweimal die Woche hat jeder zwei fest zugeteilte Member, mit denen er eine Einzelbetreuung macht. Ich z.B. betreue Miriam* und Gil*. Diese zwei Member sind komplett verschieden und haben sehr unterschiedliche Ansprüche. Sich jedes Mal neu anzupassen und auf sie einzulassen ist eine große Herausforderung. Zuerst einmal zu Miriam: sie ist total aufgeweckt, fröhlich, motiviert, aktiv, lustig, humorvoll und sie lacht sehr gerne - alles sehr positive Eigenschaften! Der einzige Haken ist, dass Miriam super schnell abgelenkt ist und nicht ruhig sitzen kann. Wenn ich also auf einer Bank sitze und mich super nett mit ihr unterhalte, dann kann es gut sein dass sie im nächsten Moment aufspringt und zu irgendwem anders hinläuft. Mir bleibt dann nichts anderes übrig, als ihr hinterher zu laufen. Ihre Stimmung ist dann schlagartig sehr verändert und sie ruft: „ Schekket, dai, stop annoying me. Please leave me alone.“ Die erste Reaktion ist, sie in Ruhe zu lassen. Wenn man sie aber ein bisschen kennt, weiß man, dass man nur 5 Minuten warten muss und sie ist freundlich wie eh und je und hat vergessen, dass sie mal sauer auf einen war. Die Arbeit mit ihr ist oft anstrengend und mühsam, aber Miriam ist eine sehr liebenswürdige Person, die mir trotzdem das Gefühl gibt, gerne mit mir Zeit zu verbringen. Schon Tage vorher informiert sie sich, was wir denn geplant haben – auch wenn sie selber am Tag auf alles Lust hat, nur nicht auf das Geplante. Unser größter bisheriger Erfolg war das gemeinsame Pancake backen! :)  Wir 2 können uns zum Glück gut verständigen, denn Miriam kommt ursprünglich aus Australien und spricht außer Hebräisch auch noch fließend Englisch.
Meine Einzelbetreuung und eine israelische Mitfreiwillige mit zwei Membern
Bei Gil ist das anders. Mit ihm ist die Sprachbarriere eine große Herausforderung. Er spricht Persisch und Hebräisch – beides beherrsche ich leider nicht so fließend. Er ist jedoch verlässlich, sehr fröhlich und um einiges ruhiger als Miriam. Wir albern viel rum und unsere Treffen sind meistens von Dialogen wie: „Lama lo“ – „Lama ken“ – „Lama lo“ – „Lama ken“ (warum nicht – warum doch) usw. … dominiert. Dies kann man zu jedem x-beliebigen Thema machen. Weil ich meistens nicht ganz verstehe worum es geht beschimpft er mich mit einem belustigten Lächeln mit „At balaganiste“ (Du chaotin). Mit Gil war ich auch schon mal im Ort Kiryat Tivon in einem Café. Die Member in unseren Einzeljobs lernen wir mit der Zeit am besten kennen und dienen für diese auch als Bezugsperson.
Ansonsten gibt es noch ein paar unregelmäßigen Jobs, wie z.B. das Begleiten von einzelnen Membern zum Arztbesuch oder der gemeinsame Ausflug mit ein paar Membern zum Basketballspiel in Haifa. Letzteres ist ein großes Event und alle Member sind sehr aufgeregt und froh.

Chanukka-Fest mit Tanz in der Chadar Ochel:




Ein paar Häuser, in denen die Member im Kfar wohnen:






Genug zur Arbeit, kommen wir zur Freizeit. Wir Volontäre wohnen nicht im Kfar, sondern im Ort Kiryat Tivon, welcher zu Fuß 15min, mit dem Auto 5 min entfernt ist. Hier sind wir 12 in 3 bescheidenen WGs untergebracht. Es gibt jeweils zwei Doppelzimmer, Küche, Bad und Wohnzimmer. 2 Mädchen WGs, eine Jungs WG.  Untereinander können wir uns und den Supermarkt in 2 min erreichen.
Im Kfar steht extra für die Volontäre ein Karavan in der Nähe des Speisesaals, in welchem wir unsere Pausen verbringen und welcher auch als Rückzugsort während der Arbeit dient. Dank zwei Betten, einer kleinen Kücheneinrichtung, Dusche, Klo und einem kleinen Feuer- und Sitzplatz davor lässt es sich hier gut die Zeit vertreiben und auch den einen oder anderen BBQ gemeinsam genießen.


DerVolontärs-Karavan ....


 ... und die wunderbare Aussicht.



2x die Woche findet für uns Freiwillige ein Hebräisch-Sprachkurs statt. Leider hat er erst vor kurzem angefangen, dafür ist er aber super und sehr hilfreich. Hier möchte ich kurz erwähnen, dass auch meine Hebräisch Kenntnisse zunehmen und ich außer den einfachen Redewendungen und Begrüßungs-Floskeln anfange die hebräischen Schriftzeichen lesen zu können.
Sechs Mitfreiwillige bilden eine „Music Group“, mit der wir an Chanukka unseren Ersten Auftritt haben und den Member-Chor unterstützen. Außerdem nehme ich am Kunstunterricht teil, den einer der Workshop-Leiter uns in seiner Freizeit anbietet. Einmal die Woche treffen wir uns abends für 2-3 Stunden und er gibt uns Tipps zum Malen und Zeichnen.
Um meinen persönlichen Eindruck von Kfar Tikva zu beschreiben, möchte ich eine Einheimische zitieren, die uns im Auto vom Kfar bis nach Hause mitgenommen hat: „ You work in Kfar Tikva? Oh, that´s a unique place with special people.“ Wirklich! Der Name “Dorf der Hoffnung” passt schon ganz gut. Die meisten Member, die einmal hier wohnen, möchten auch gar nicht mehr woanders hin ziehen, auch wenn ihr Gesundheitszustand es ermöglichen würde. So werden sie gemeinsam alt, und in Kfar Tikva werden neue Häuser gebaut, um noch mehr Menschen mit Behinderung die Möglichkeit zu geben, an dieser einzigartigen Gesellschaft teilhaben zu können.
Wer von euch noch Lust hat mehr zu lesen und über meine vielen Wochenendtrips zu erfahren kann gerne mal auf meinen Blog gucken: malin-goes-israel.blogspot.de
Ich danke euch allen, dass ihr mich unterstützt und mir diese wundervolle Erfahrung möglich macht!
  
Shalom shalom, eure Malin

Freitag, 4. Oktober 2013

Kontrolle

Liebe Leute,

ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll, denn ich möchte von so Vielem berichten! Zuerst einmal habe ich ja versprochen von meinem Alltag und der Arbeit zu erzählen. Es mag so scheinen als würde ich nur Rumreisen. Das mit dem Reisen stimmt auch - aber das nur stimmt nicht. :) Die Arbeit nimmt immernoch den Großteil meiner Zeit ein und begeistert mich total! Das einzige Problem ist, dass es eigentlich jeden Tag etwas erzählenwertes auf der Arbeit passiert und ich nur nicht richtig weiß, wie ich das hier festhalten soll. Von einem Wochenendausflug von 2 Tagen zu berichten ist da sehr viel einfacher!

Dieses Wochenende z.B. ... war sehr spannend!
Freitag morgen fahren Rebekka, Theresia, Tobi, Roman und ich früh um 8h los, um nach Genin zu fahren. Zuerst mit dem Bus nach Afula, dann etwas laufen und mit einem Tramp weiter bis zum Kontrollpunkt(Genin liegt in den paläst. Gebieten, deshalb muss man durch eine Kontrolle).  Aus dem Trampauto ausgestiegen wollen wir also über die Grenze laufen, durch einen vergitterten langen Gang. Zuerst werden wir von anderen Arabern freundlich begrüßt: "Welcome, welcome!". Wir marschieren weiter, als wir von einem Soldaten zurückgerufen werden. - Als Ausländer darf man nicht zu Fuß über die Grenze laufen. Wir müssen also 10 Meter vor der Grenze versuchen, dass ein Auto anhält und uns 20 Meter bis hinter der Grenze mitnimmt. Ja wer macht das schon?? Stehen wir da also und warten ... und freuen uns sehr darüber, als ein Auto anhält und schonmal 2 von uns mitnimmt. Roman und Theresia. Diese kommen leider nicht allzu weit - um genau zu sein 10 Meter (bis zur Schranke) - als sie nach Pässen kontrolliert werden und Romans wieder aussteigen muss und zurück gelaufen kommt. Roman und ich hatten nur eine Kopie unseres Reisepasses (und Führerschein/Perso) dabei, da unser Coordinater gerade an diesen 3 Tagen unser Volontärsvisum beantragen muss. Diese Kopie reicht offiziell aus, da es ja keine Landesgrenze ist, praktisch kommt man aber nicht rein wissen wir jetzt. Hier trennen sich also unsere Wege. Die anderen 3 reisen weiter, wir 2 trampen wieder zurück nach Afula und gucken mal so wohin noch Busse fahren. Unsere Rucksäcke sind ja gepackt und sogar Schlafsäcke haben wir dabei! ;)

NAZARETH! Warum nicht, waren wir beide ja noch nicht. Sehr viele Zufälle sind in den nächsten paar Stunden passiert. Wir sind nach Nazareth gefahren und haben am Touristoffice nach einem Hostel gefragt (angeblich das billigste: für 80 NIS). Wir laufen mit Rucksack durch die Altstadt und finden die Beschilderung, der wir nachlaufen. - Die uns zu einem anderen Hostel als erwartet führt. Dieses ist, bedauerlicherweise, ausgebucht. Toll! Man muss dazu sagen, dass Nazareth am Hang liegt und wir samt Gepäck 20 Minuten den Berg hochgelaufen sind und vollgeschwitzt sind. Ein Bett gibt es nicht mehr für uns. Nach einem Telefonat mit ihrem Mann, Toni, bietet die Guesthousebesitzerin uns aber freundlicherweise das Sofa im Eingangsbereich für nur 70 NIS inklusive Frühstück an. Genau das Richtige für uns! Extra werden noch Haken in die Wand geschlagen, eine Wäscheleine gespannt und eine große Decke mit Wäscheklammern daran befestigt, so dass die Sofas abgetrennt vom Rest sind. Den ganzen Tag laufen wir durch die Altstadt von Nazareth, welche viel Ähnlichkeit mit Jerusalem hat, aber viel weniger touristisch und aufbereitet ist. Wir besuchen die Basilica und die griechisch orthodoxe Kirche. Uns verschlägt es außerdem nach "Nazareth Village", einer kleinen Nachbildung, wie es in Nazareth zur Zeit Jesus ausgesehen haben muss. Außerdem "ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Jesus mal hier lang gelaufen sein muss, denn er habe im Umkreis von weniger als 1/2 Kilometer gewohnt". Nicht alle Besucher haben verstanden, dass dies nur eine Nachbildung ist und man nicht sicher weiß, dass Jesus hier gewohnt hat.

der Blick von unserem Hostel auf die Old City

eine griechisch orthodoxe Kirche
Nazareth Illit, der jüdische Teil


Mir war vorher nicht  bewusst, dass Nazareth eine komplett arabische Stadt ist und sie ein sehr gutes Beispiel ist um den Israel-Palästina-Konflikt näher zu erläutern. Roman und ich hatten nämlich das Glück, dass uns ein britischer Journalist genau diesen Konflikt näher gebracht hat und anhand einiger Beispiele verdeutlicht hat. Super interessant und ein ganzer Haufen voller AHAAAH-Momente. z.B. ist ein wichtiges Element um den ganzen Konflikt zu verstehen, dass es keine israelische Nationalität gibt. Es gibt nur die jüdische Nationalität und in Israel wohnende Juden. Also Briten, Amerikaner, Russen, Franzosen, Deutsche .... jüdischen Glaubens, aber keine Israelis. Gesetzlich gesehen hat das eine wichtige Bedeutung, denn des gibt einmal das Zivilrecht und das nationale Recht. Das nationale Recht gilt folglich nur für die Juden. z.B. kann sich der Staat durch das Zivilrecht Land aneignen, was dann dem jüdischen Staat gehört und nur durch das nationale Recht nur an Juden weiter gegeben wird. So werden nicht Juden, insbesondere Araber vertrieben. Ich kann das leider nicht so super wieder geben wie Jonathan Cook, unser Guide, aber vielleicht gibt es einen kleinen Eindruck.

Bevor ich nach Israel bin, habe ich mich mit dem Nahostkonflikt nicht insbesondere auseinandergesetzt... Wenn man hier nach Israel kommt und nur die Vergangenheit des Holocaust kennt, dann mag man ein starker Pro-Israeli sein. Je mehr ich mich jedoch mit dem Israel-Palästina-Konflikt auseinandersetze, desto schwieriger fällt es mir, eine klare Meinung zu vertreten. Was aber wirklich auffällig ist, ist dass die Araber, die hier in Tivon wohnen, unter sich bleiben und nicht von den Israelis akzeptiert werden. Immer wieder sehen wir skeptische und abwertende Blicke, wenn wir mit den arabischen Mitarbeitern unseres Projekts in den Straßen gesehen werden.

Im Gegensatz dazu werden die Behinderten in der Gesellschaft sehr akzeptiert. Wie man es von Russland ganz krass kennt habe ich auch hier damit gerechnet, dass es Leute geben mag die Behinderte nicht akzeptieren und einen blöd angucken. Hier in Tivon selber wohnen die etwa 50 "selbstständigsten" Member in eigenen Wohnungen und fahren so wie wir nur tagsüber ins Kfar, um dort zu arbeiten. Diese sieht man dann immer mal in den Straßen rumspazieren, einkaufen oder mit Nachbarn unterhalten.

Montag, 23. September 2013

Succot in Jerusalem

Überraschenderweise habe ich Succot kurzfristig in Jerusalem und zudem noch in einer jüdischen Familie gefeiert. Für 3 Tage war ich bei Georgia, ihrem Mann und 3 Kindern, welche im Westbankteil von Jerusalem leben. Eine tolle Erfahrung! Succot ist das Fest, wo jede israelische Familie eine Laubhütte baut um abends (oder die ganze Woche) darin zu speisen. Das "Leben" in Laubhütten soll an das Wohnen während der Wüstenwanderung während dem Auszug aus Ägypten erinnern.
Ein Succot ist wie gesagt eine Hütte, die mit Palmenblättern bedeckt ist. Oft ist sie sehr weihnachtlich geschmückt ( glitzernde Gierlanden etc.) oder es werden Zitrusfrüchte aufgehängt.



Am Succotabend kam ein Teil der Familie vorbei und es gab ein großes Festmahl. Zuerst wurde auf hebräisch gebetet und gesungen, ein Kelch herum gegeben, dem Alter nach, der älteste zuerst. Essen gab es reichlich. Von gefüllten Teigtaschen über Hühnchen und Lammfleisch hin zu koscherem Eis, Schokoküssen und köstlichen Wassermelonen. 

Am nächsten Tag haben Georiga und Co mit mir einen Ausflug ans Tote Meer gemacht. Zuerst sind wir nach Masada gefahren, eine ehemalige jüdische Festung welche schon fast 3000 Jahre alt ist. Masada ist sehr wichtig für die jüdische Geschichte, da sie den jüdischen Freiheitswillen wiederspiegelt. Im Jüdischen Krieg wurde die Festung von Römern belagert und anstatt in Gefangenschaft zu enden hat sich der Großteil der Bewohner in der Festung umgebracht bevor die Römer die Festung gestürmt haben.



Im Anschluss sind wir nach Ein Gedi, einen NP aus dem unser Trinkwasser kommt. Ein kleiner Fluss mit Wasserfällen mitten in der Wüste.

Das Festland im Hintergrund ist die andere Seite des Toten Meers: Jordanien.


Anschließend waren wir dann auch noch im Toten Meer schwimmen. Ein sehr lustiges Gefühl! Ein bisschen so wie als würde man in Öl schwimmen. Durch den hohen Salzgehalt schafft man es nicht mit den Füßen bis auf den Boden zu kommen sondern bounced immer wieder hoch :D außerdem fühlt sich die Haut super weich an und das Salz schmeckt scheußlich. Natürlich haben wir volles Beauty-Programm gemacht und uns komplett mit Schlamm eingeschmiert. Abends bin ich nur noch erschöpft und zufrieden ins Bett gefallen.



Tag 2 in Jerusalem:

Zuerst sind wir zum bekannten Mahane Yehuda Market gefahren. Viele Menschen, viele Stände, wenig Platz, viele Gerüche und Geräusche. Sehr eindrucksvoll. Anschließend sind wir durch die Altstadt von Jerusalem gelaufen und haben das ganze Touriprogramm abgeklappert: das Zion Tor, die Klagemauer, die alten Überreste der Stadt, der Via Dolorosa, die Stände im arabischen Teil der Altstadt, die Grabeskirche, eine kleine Synagoge, den Blick auf den Ölberg und und und.

Den 3. Tag hab ich ganz auf Urlaub gemacht und einfach nur auf dem Sofa oder der Terrasse gesessen und gelesen :) Gegen 17h habe ich mich dann schon auf den Rückweg nach Tivon gemacht und bin dabei noch in den 1. Regen im neuen jüdischen Jahr geraten. Zu Fuß auf dem Weg zum Busbahnhof sind wir total nass geworden. Der Regen hat nur etwa eine 1/2 Std angehalten und mich an den Regenguss im Juni in Bonn erinnert. Nur um einen kleinen Eindruck zu bekommen: